UKRAINE

Wie Schweizer Firmen mit dem Krieg umgehen

Schweizer Firmen bekommen die wirt-schaftlichen Folgen des Ukraine-Konflikts zu spüren. Wir haben uns umgehört.

Bertrand Beauté

  • Gründung: 1988
  • Hauptsitz: ZURICH (ZH)
  • Umsatz: $28.9 BN
  • Beschäftigte: 105,000
  • Stock Exchange:

Der Zürcher Engineering- und Automatisierungskonzern war unter den ersten, die ihre Tätigkeiten in Russland eingestellt haben.

«Aufgrund von Störungen der Lieferkette und anderer logistischer Aspekte hat ABB vorübergehend die Annahme neuer Bestellungen und jegliche operative Tätigkeit aus und nach Russland, der Ukraine und Belarus unterbrochen.» Bereits am Mittwoch, den 2. März, kündigte der Zürcher Konzern auf der Plattform Swissinfo seinen Rückzug aus diesen Märkten an und gehört damit zu den ersten Industrieunternehmen, die offiziell auf die neue Situation infolge des Ukraine-Kriegs reagiert hat. ABB besitzt zwei Produktionsstätten in Russland, die mit 1 bis 2 Prozent zu den Einnahmen beitragen, sowie zwei Tochtergesellschaften in Kiew und Lwiw in der Ukraine. 

  • Gründung: 1945
  • Hauptsitz: VERNIER (GE)
  • Umsatz: $8.29 BN
  • Beschäftigte: 24,000
  • Stock Exchange:

Der Genfer Spezialist für Augenheilmittel ist bislang weiter in Russland tätig. 

Als diese Zeilen geschrieben wurden, hatte das Pharmaunternehmen mit Haupsitz in Genf noch nicht offiziell Stellung zu den Folgen des Krieges auf sein Geschäft bezogen. Man weiss gerade einmal, dass das Unter-nehmen eine Produktionsstätte für Linsen zur Behandlung des grauen Stars in Selenograd in der Nähe von Moskau sowie eine Niederlassung in der Ukraine besitzt. Wie der Rest der pharmazeutischen Industrie dürfte auch Alcon seine Tätigkeiten in die-sen Ländern aus ethischen Gründen aufrecht erhalten. 

  • Gründung: 2011
  • Hauptsitz: WINTERTHUR (ZH)
  • Umsatz: CHF 1.7 BN
  • Beschäftigte: 11,800
  • Stock Exchange:

Der weltweite Automobilmarkt könnte 2022 aufgrund der Kriegsfolgen in die roten Zahlen rutschen. 

In seinem am 2. März veröffentlichten Jahresbericht geht der Schweizer Zulieferer Autoneum davon aus, dass der Automobilmarkt 2022 um 9 Prozent gegenüber 2021 wachsen und der Umsatz entsprechend steigen wird. Das Problem ist, dass diese Prognosen Anfang Februar erstellt wurden, bevor Russland in die Ukraine einmarschierte. Sind sie heute noch haltbar?

«Die Zulieferer der Automobilindustrie sind zu 100 Prozent von den Verkäufen der Hersteller abhängig», erklärt Eleanor Taylor Jolidon, Co- Leiterin Schweizer & globale Aktien bei der Union Bancaire Privée (UBP). «Die Ukraine-Krise könnte sich jedoch auf die Verkäufe auswirken, die wegen des Bauteilmangels bereits seit Jahresbeginn niedrig waren.»

Autoneum ist zum Beispiel ein Zulieferer des Renault-Konzerns, der Russland im März fluchtartig verlassen musste. Der französische Hersteller besitzt dort drei Montage-  werke, in denen jährlich 500'000 Autos hergestellt werden. Zu den Kunden von Autoneum, dem Spezialisten für akustische und thermische Fahrzeugdämmung, zählen auch die deutschen Konzerne Volkswagen und BMW, die bereits einige ihrer Produktionsstätten aufgrund von Lieferengpässen bei Kabelbäumen aus der Ukraine vorübergehend stilllegen mussten. Laut einer Mitteilung, die Standard & Poor's (S&P) am 22. März veröffentlichte, werden die weltweiten Fahrzeugverkäufe 2022 um 2 Prozent zurückgehen, während man vor dem Krieg noch einen Anstieg von  4 bis 6 Prozent erwartet hatte.

Autoneum betreibt zudem eine Produktionsstätte im russischen Rjasan, 200 Kilometer von Moskau entfernt. Der Betrieb dort könnte von den internationalen Sanktionen betroffen sein. «Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können die Auswirkungen der Krise in der Ukraine auf unser Geschäft noch nicht abgeschätzt werden», heisst es im letzten Jahresbericht von Autoneum.

  • Gründung: 1995
  • Hauptsitz: MUTTENZ (BL)
  • Umsatz: CHF 4.37 BN
  • Beschäftigte: 18,000
  • Stock Exchange:

Die Basler Chemiegruppe muss auch mit dem Anstieg der Preise für Gas und Öl zurechtkommen.

Clariant, einer der weltweiten Markt-führer für Spezialchemieprodukte, hat am 4. März angekündigt, seine Tätigkeiten in Russland mit sofortiger Wirkung auszusetzen. Betroffen sind ein Vertriebsbüro und ein Labor in Moskau, die zusammen 2 Prozent zum Umsatz des Unternehmens beitragen. Clariant besitzt darüber hinaus eine Produktionsstätte für Katalysatoren in der umkämpften ostukrainischen Region Luhansk. Dort sind 146 Mitarbeitende beschäftigt. Das Schweizer Unternehmen muss sich zudem auf den Anstieg der Preise für Gas und Erdöl einstellen. Bereits im Dezember 2021 war Clariant gezwungen, angesichts des Anstiegs der Rohstoff-, Energie- und Transportkosten seine Preise in der EMEA-Zone (Europe, Middle East and Africa) um 25 bis  35 Prozent anzuheben. 

  • Gründung: 1902
  • Hauptsitz: ALTDORF (UR)
  • Umsatz: CHF 1.1 BN
  • Beschäftigte: 6,900

Der Spezialist für Elastomer-Komponenten hat die Produktion in seiner ukrainischen Fabrik ausgesetzt. 

Die für die Herstellung der Nespresso-Kapseln bekannte Urner Gruppe Dätwyler produziert Elastomer-Komponenten für die Automobil-, Lebensmittel- und Pharmabranche. Das Industrieunternehmen besitzt eine Fabrik in Malyn im Nordwesten der Ukraine mit etwa 100 Mitarbeitenden. Das Werk trägt zu etwa 1 Prozent zum Gesamtumsatz von Dätwyler bei. Wegen der russischen Invasion steht es seit dem 24. Februar still. 

  • Gründung: 1807
  • Hauptsitz: NIEDERWENINGEN (ZH)
  • Umsatz: CHF 3.18 BN
  • Beschäftigte: 13,000
  • Stock Exchange:

Kriegsbedingte Explosion des Getreide- und Düngemittelpreises dürfte Investitionen in Landmaschinen bremsen. 

Bei der Vorstellung des Jahresergebnisses Anfang März wollte die Leitung des Landmaschinenherstellers Bucher Industries beruhigen: Der Konflikt in der Ukraine stelle keine direkte Bedrohung für die finanzielle Situation des Unternehmens dar. Im vergangenen Jahr kam Bucher in Russland und der Ukraine auf einen Absatz in Höhe von 70 Mio. Franken bei einem Gesamtumsatz von 3,2 Mrd. Das Unternehmen besitzt eine Produktions- und Montageanlage in Russland, die 140 Mitarbeitende beschäftigt, und ein Vertriebszentrum in der Ukraine, in dem etwa 30 Angestellte tätig sind. Auch wenn das Zürcher Unternehmen von dem Konflikt bisher nur wenig direkt betroffen ist, könnte es langfristig noch Auswirkungen der Krise zu spüren bekommen. Denn die Landwirtschaft ist weltweit vom rasanten Anstieg des Energie- und Düngemittelpreises betroffen. «2021 war Russland der grösste Ex-porteur von Stickstoffdünger und der zweitgrösste Lieferant von Kali- und Phosphordünger», heisst es bei der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO). Angesichts der Tatsache, dass die Margen aufgrund der Preis-anstiege kleiner werden, dürften die bäuerlichen Betriebe den Kauf von landwirtschaftlichen Maschinen verschieben, was sich wiederum auf die Geschäfte von Bucher negativ auswirken könnte. 

  • Gründung: 1844
  • Hauptsitz: WINTERTHUR (ZH)
  • Umsatz: CHF 658.6 M
  • Beschäftigte: 2,500
  • Stock Exchange:

Der Kompressorspezialist profitiert von der verstärkten Nachfrage nach LNG in Europa. 

Am 14. März hat Burckhardt Compression angekündigt, seine Verkäufe in Russland, die zuletzt zwischen 2 und 5  BCHN Prozent des Umsatzes ausmachten, mit sofortiger Wirkung zu stoppen. Dennoch kann das Unternehmen optimistisch in die Zukunft blicken. Denn seitdem Europa verkündete, die eigene Abhängigkeit vom russischen Erdgas verringern zu wollen, liebäugelt es mit US-Flüssigerdgas (LNG). Und hier kommt Burckhardt Compression ins Spiel: Die Kolbenkompressoren des Unternehmens werden bei der Verflüssigung des Gases und bei der Umwandlung in einen gasförmigen Zustand verwendet. Nachdem die USA ihre Lieferungen zuletzt verdoppelt haben und ausserdem versprachen, in diesem Jahr 15 Milliarden zusätzliche Kubikmeter LNG nach Europa zu liefern, wird auch die Nachfrage nach Kolbenkompressoren von Burckhardt Compression steigen. «Die sich abzeichnenden Verschiebungen bieten uns Chancen», sagte Firmenchef Marcel Pawlicek in einem Gespräch mit «Finanz und Wirtschaft». Das Winterthurer Unternehmen profitiert auch vom Aufschwung des grünen Wasserstoffs, dessen Produktion ebenfalls die Verwendung von Kompressoren erfordert.

  • Gründung: 1874
  • Hauptsitz: RAPPERSWIL-JONA (SG)
  • Umsatz: CHF 3.5 BN
  • Beschäftigte: 12,000
  • Stock Exchange:

Der weltweite Marktführer für Sanitäranlagen hat die Produktion seines Werks in der Ukraine eingestellt. 

In einer nur vierzeiligen Mitteilung hat der Sanitärspezialist Geberit am 25. März vermeldet, dass er seine Tätigkeiten in Russland ausgesetzt hat, ohne die Gründe seines Beschlusses zu nennen. Das Unternehmen beschäftigt 70 Mitarbeitende in diesem Land, die auch weiterhin bezahlt werden. Die Gruppe aus Rapperswil-Jona besitzt ausserdem eine Keramikfabrik mit 550 Beschäftigten in Slawuta in der Ukraine, ungefähr 300 Kilometer westlich von Kiew. Aufgrund des Konflikts ist die Produktion dort seit Ende Februar gestoppt. Geberit beschäftigt auch etwa 40 Personen in ihrem Vertretungsbüro in Kiew. Insgesamt erzielte das Unternehmen 2021 etwa 2 Prozent seines Umsatzes in der Ukraine und in Russland.

  • Gründung: 1974
  • Hauptsitz: BAAR (ZG)
  • Umsatz: CHF 203.8 BN
  • Beschäftigte: 135,000
  • Stock Exchange:

Der Handels- und Bergbaugigant profitiert von steigenden Rohstoffpreisen.

Seit dem 24. Februar, dem Tag, an dem Russland in die Ukraine einmarschierte, hat die Glencore-Aktie um fast 20 Prozent zugelegt. Der grösste Handelskonzern der Welt betreibt Kobalt-, Nickel- und Aluminiumminen, und die Preise dieser Metalle sind seit Beginn des Konflikts in die Höhe geschossen. Dies könnte die Gewinne des Unternehmens ankurbeln, zumal der Zuger Riese keine Minen in Russland oder der Ukraine besitzt, die durch den Konflikt gefährdet werden könnten. «Glencore hat keinen operativen Fussabdruck in Russland, und unser kommerzielles Engagement ist nicht signifikant», schreibt der Konzern in Mitteilung, die am 1. März veröffentlicht wurde.

Dennoch gibt es einige Grauzonen: Denn die Schweizer Firma ist nach wie vor ein grosser Händler von Aluminium, das vom russischen Rusal-Konzern hergestellt wird, und handelt auch mit anderen russischen Rohstoffen, insbesondere mit Erdöl. Ausserdem hält Glencore Anteile an zwei russischen Konzernen, die aufgrund der internationalen Sanktionen unter Druck stehen, und zwar 10,55 Prozent am Aluminiumhersteller En+ und 0,57 Prozent am Ölkonzern Rosneft.

«Wir überprüfen alle unsere Aktivitäten im Land, einschliesslich unserer Beteiligungen an En+ und Rosneft», beteuert der Konzern. Am 28. Februar belief sich der Wert dieser Anteile auf 645 Mio. Dollar für En+ und 183 Mio. Dollar für Rosneft. Die Beteiligungen werden schwer verkäuflich sein: Seit dem 3. März ist die Kotierung dieser Unternehmen an der Londoner Börse ausgesetzt.

  • Gründung: 1912
  • Hauptsitz: ZUG (ZG)
  • Umsatz: CHF 26.8 BN
  • Beschäftigte: 70,000
  • Stock Exchange:

Der Zement- und Baustoffkonzern verabschiedet sich von Russland. Zudem sollen alle Geschäftsaktivitäten im Land verkauft werden.

Eine klare Ansage: Holcim werde sich aus dem russischen Markt zurückziehen, teilte der Konzern am 29. März mit. Schon zwei Wochen zuvor hatte der Zement- und Baustoffriese angekündigt, alle Kapitalinvestitionen im russischen Markt auszusetzen. Das Russlandgeschäft trägt bei Holcim weniger als 1 Prozent zum Konzernumsatz von knapp 27 Mrd. Franken bei. Das Zuger Unternehmen beschäftigt in dem Land rund 1'000 Mitarbeitende. In der Ukraine ist es nicht vertreten. Zu schaffen macht Holcim der Anstieg der Energie- und Rohstoffpreise, denn die Zementherstellung ist energieintensiv. Bereits 2021 hat-ten die Hersteller von Baumaterialien nach Angaben von Morningstar eine Inflation in dem Bereich von 24 bis 35 Prozent erlebt. Bisher konnte Holcim seine Gewinnmarge durch Preiserhöhung erhalten. Denn dank des Booms im Baugewerbe bleibt die weltweite Nachfrage stark. Sie erlaubt es den Zementherstellern der-zeit, 100 Prozent ihrer erhöhten Kosten weiterzugeben. Früher oder später wird die Situation die Akteure begünstigen, die neue, weniger energieintensive grüne Zemente entwickeln wie den Be-ton EvopactZero, der von Holcim 2020 auf den Markt gebracht wurde, oder den Futurcem, den das italienische Unternehmen Cementir entwickelt hat. 

  • Gründung: 1975
  • Hauptsitz: DIERIKON (LU)
  • Umsatz: CHF 421 M
  • Beschäftigte: 2,128
  • Stock Exchange:

Der Autozulieferer profitiert indirekt vom Stillstand der ukrainischen Fabriken. 

Im vergangenen Jahr wurden in der Ukraine nach Angaben des europäischen Verbands der Automobilzulieferer (Clepa) Elektrokabel im Wert von umgerechnet 760 Mio. Euro her-gestellt. Diese waren vor allem für die Luftfahrtindustrie und den europäischen Automobilmarkt bestimmt. Die Bauteile sind für die Industrie von entscheidender Bedeutung. Eine Limousine wie der Porsche Paname-ra enthält beispielsweise mehrere Kilometer Kabelstränge. Aufgrund des Kriegs wurden jedoch zahlreiche ukrainische Werke geschlossen, was den Kabelnachschub zum Erliegen brachte.

Davon profitiert indirekt die Luzerner Firma Komax, der Weltmarktführer für Maschinen zum Crimpen, Schneiden und Prüfen von Elektrokabeln (dieser Markt wird Kabelverarbeitung oder «Wire Processing» genannt). Denn für die Kabelhersteller, die in der Ukraine stark vertreten waren, besteht dringender Bedarf an neuen Maschinen, damit sie ihre Produktion an anderen Standorten erhöhen können. Wenige Tage vor Kriegsbeginn verlagerte beispielsweise die irische Firma Aptiv ihre Kabelproduktion nach Polen, Rumänien und Serbien. «Die aktuelle Situation in der Ukraine führt zu einer starken Nachfrage der Kunden nach Ersatzmaschinen», bestätigt Komax in einer am 15. März veröffentlichten Pressemitteilung. Es sei daher derzeit nicht möglich, eine «quantitative Pro-gnose für das Geschäftsjahr 2022 zu erstellen», heisst es weiter.

  • Gründung: 1890
  • Hauptsitz: SCHINDELLEGI (SZ)
  • Umsatz: CHF 32.8 BN
  • Beschäftigte: 78,000
  • Stock Exchange:

Der Logistikriese hat seine Warenlieferungen von und nach Russland unterbrochen.  

Nicht anlaufbare russische Hä-fen, Hunderte von Schiffen, die im Schwarzen Meer festsitzen, Flugver-bote über Russland, rasant steigende Treibstoffpreise: Der Ukraine-Krieg hat zahlreiche Auswirkungen, die den weltweiten Güterverkehr erschwe-ren. Der Schweizer Logistikkonzern Kühne+Nagel, einer der globalen Marktführer in den Bereichen See- und Luftfracht, Kontraktlogistik und Landverkehr, gibt sich nach einem Rekordjahr 2021 mit seinen Progno-sen für 2022 sehr vorsichtig. «Bis-her waren die Aussichten günstig», erklärte CEO Detlef Trefzger bei der Vorstellung der Jahresergebnisse am 2. März. «Aber die Kriegshandlungen Russlands haben die Unvorherseh-barkeit der Geopolitik verdeutlicht, deren Auswirkungen auf die wirt-schaftliche Entwicklung noch nicht abgeschätzt werden können.»

Wie der dänische Weltmarktführer für Seefracht Maersk kündigte auch Kühne+Nagel die Einstellung aller seiner Tätigkeiten in der Ukraine sowie des Transports von und nach Russland an. Ausgenommen davon seien lediglich pharmazeutische, medizinische und humanitäre Güter. Kühne+Nagel nannte zwar keine genauen Zahlen, aber es ist bekannt, dass beispielsweise das Geschäft des französischen Konkurrenten CMA CGM in Russland, der Ukraine und in Weissrussland etwa 600'000 Standard-Container (TEU) pro Jahr ausmacht, was 2 Prozent seines Jahresumsatzes entspricht.

Und die Folgen gehen über die Grenzen dieser Länder hinaus. «Die Schliessung der Luftkorridore über Russland und der Ukraine und die Sperrung des nordamerikanischen und europäischen Luftraums für russische Flugzeuge führten zu Kapazitätseinschränkungen und längeren Lieferzeiten, wobei sich einige Langstreckenflüge, insbesondere in der eurasischen Hemisphäre, um bis zu drei Stunden verlängert haben», betont Kühne+Nagel. Zudem musste das Unternehmen die Annahme von Buchungen für Bahntransporte (Eurasia Express) von und nach Europa einstellen, da diese Transporte durch das Gebiet der Russischen Föderation führen. 
Im Seefrachtbereich könnte der Ukraine-Konflikt überdies zu einem Arbeitskräftemangel führen, warnte die Internationale Schifffahrtskammer (ICS), die 80 Prozent der weltweiten Handelsflotten repräsentiert, am 11. März. In der Tat sind 14,5 Prozent der Seeleute in der inter-nationalen Schifffahrt, das heisst 1,89 Millionen Menschen, entweder Ukrainer oder Russen. Ein Teil dieser Beschäftigten sitzt nun in ihren Heimatländern fest und kann nicht mehr arbeiten. Da heute 90 Prozent aller Waren auf dem Seeweg transportiert werden, schlägt dies wohl unweigerlich auf die Weltwirtschaft durch.

Bisher hat die Krise noch keinen An-stieg der Transportpreise ausgelöst. Laut dem Freightos Baltic Index liegt der durchschnittliche Preis für den Transport eines 20-Fuss-Containers auf den wichtigsten Seeverkehrsrouten heute bei 9’500 Dollar. Damit ist er zwar siebenmal höher als 2020, bewegt sich aber auf demselben Niveau wie im Januar 2022.   

  • Gründung: 1953
  • Hauptsitz: GWATT (BE)
  • Umsatz: CHF 39.9 M
  • Beschäftigte: 800
  • Stock Exchange:

Der Berner Spezialist für Solarmodule dürfte von der starken Nachfrage nach erneuerbaren Energien profitieren. 

Seit Beginn der Krise werden im Energiesektor immer wieder neue Rekordumsätze erzielt. Der Preis für ein Barrel Öl hat sich dauerhaft über der symbolischen Marke von 100 Dollar eingependelt (mit Spitzenwerten von fast 140 Dollar), und der Gaspreis erreicht auf den Märkten inzwischen exorbitante Niveaus. «Der Krieg in der Ukraine hat die starke Abhängigkeit Europas von russischem Öl und Gas deutlich gemacht», betont Hubert Lemoine, Chief Investment Officer bei Schelcher Prince Gestion. «Die Länder der Eurozone importieren 40 Prozent ihres Gases aus Russland, eine Zahl, die im Falle Deutschlands auf nahezu  60 Prozent ansteigt.»

Seit Beginn des Konflikts versucht Europa daher, sich aus dieser starken Abhängigkeit zu befreien – unter anderem mit einem gezielten Ausbau der erneuerbaren Energien. Die An-leger haben sich übrigens nicht getäuscht. «Die Aktien von Spezialisten für erneuerbare Energien waren die ersten, die von der Krise profitierten», fährt Lemoine fort. Die Aktie der chinesischen Firma JinkoSolar, des welt-weit grössten Solarmodulherstellers, stieg beispielsweise von 40 Dollar am 23. Februar, einen Tag vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine, auf 50 Dollar am 28. Februar. Das entspricht einem Anstieg um 25 Prozent in fünf Tagen. Im gleichen Zeitraum stieg der Wert des dänischen Spezialisten für Offshore-Windparks Orsted um 30 Prozent.

Selbst das Schweizer Solarmodul-Unternehmen Meyer Burger, dessen Finanzergebnisse Anlass zur Sorge geben, erhielt einen bemerkenswerten Schub. Seine Aktie stieg zwischen dem 23. und 28. Februar um 25 Prozent, obwohl der Berner Konzern, der sich mitten in einer Umstrukturierung befindet, tief in die roten Zahlen rutscht. Im vergangenen Jahr halbierte sich der Umsatz des Unternehmens, während sein Nettoverlust von 64,5 Mio. Franken im Jahr 2020 auf 100,5 Mio. anstieg. Meyer Burger könnte dennoch wieder schwarze Zahlen schreiben: «Angesichts der Ukraine-Krise wird der Solarsektor als strategische Notwendigkeit angesehen, um die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen deutlich zu verringern. Die Branche profitiert von der zunehmenden Unterstützung der Politik in der Europäischen Union und den USA [...]», schreibt das Unternehmen in seinem Jahresbericht. «Folglich erhält Meyer Burger starken Rückenwind.»

  • Gründung: 1866
  • Hauptsitz: VEVEY (VD)
  • Umsatz: CHF 87.1 BN
  • Beschäftigte: 273,000
  • Stock Exchange:

Unter dem Druck der sozialen Netzwerke musste der Lebensmittelriese die Palette seiner in Russland verkauften Produkte reduzieren. 

Der multinationale Konzern aus  Vevey reagierte zunächst zurückhaltend auf den Einmarsch in der Ukraine und folgte damit dem Beispiel anderer Nahrungsmittelgiganten wie Danone oder Burger King. Lediglich Werbeaktivitäten und Investitionen in Russland sowie der Export bestimmter Produkte wie Nespresso-Kapseln wurde gestoppt. Volodymyr Zelensky fand diese Aktionen zu zaghaft und reagierte voller Zorn: «‹Gut essen. Gut leben›, das ist der Slogan von Nestlé. Ihr Unternehmen, das sich weigert, Russland zu verlassen», wetterte der ukrainische Präsident am 20. März in einem Video, das an das Schweizer Volk gerichtet war. «Die Geschäfte in Russland laufen sogar dann, wenn unsere Kinder sterben und unsere Städte zerstört werden.» Rasant verbreitete sich in den sozialen Netzwerken der Hash-tag «#boycottnestle», zusammen mit verfremdetem Marketingmaterial des Unternehmens. So wurde etwa das Markenlogo blutverschmiert darge-stellt oder mit dem Z-Symbol der rus-sischen Invasionstruppen versehen.

Um den grossen Unmut zu besänftigen, publizierte Nestlé am 23. März eine Klarstellung. «Während der Krieg in der Ukraine wütet, werden sich unsere Aktivitäten in Russland darauf konzentrieren, Grundnahrungsmittel wie Säuglingsnahrung und medizinische/krankenhausbezogene Ernährung bereitzustellen, und nicht darauf, Gewinne zu machen», schreibt der Konzern. «Dieser Ansatz steht im Einklang mit unserem Ziel und unseren Werten. Er verteidigt das Prinzip der Sicherung des Grundrechts auf Ernährung.» Nestlé erklärt, dass das Unternehmen den Verkauf anderer Marken wie KitKat und Nesquik in Russland ausgesetzt habe.

Insgesamt beschäftigt der Schweizer Konzern mehr als 7’000 Mit-arbeitende in Russland und besitzt dort sechs Werke, darunter eines in Perm, das hauptsächlich zur KitKat-Herstellung dient, eines in Samara zur Kakaobohnenverarbeitung und eines in Timashewsk (Nescafé).

Im vergangenen Jahr erwirtschaftete Nestlé in Russland einen Umsatz von 1,7 Mrd. Franken – das sind weniger als 2 Prozent des Gesamtumsatzes von 87,1 Mrd. Franken. Der Konzern hat auch drei Standorte in der Ukraine mit insgesamt 5’800 Beschäftigten. Dort werden Fertiggerichte, Süsswaren und Getränke hergestellt. 

  • Gründung: 1996
  • Hauptsitz: BASEL (BS)
  • Umsatz: $51.63 BN
  • Beschäftigte: 108,000
  • Stock Exchange:

Der Pharmariese hat seine Investitionen in Russland gestoppt, liefert zum Wohle der Patienten aber weiter seine Arzneimittel dorthin. 

«Novartis verurteilt den Krieg in der Ukraine. Dieser nicht provozierte Gewaltakt schadet unschuldigen Personen», heisst es in einer Mitteilung des Basler Pharmariesen vom 4. März. Novartis bezieht darin klar Stellung gegen Moskaus Eroberungskrieg. Auch wenn der Konzern weiter Medikamente nach Russland liefert, hat er doch seine Investitionen, seine Promotion- und Werbetätigkeiten sowie den Start neuer klinischer Versuche in dem Land ausgesetzt. Novartis besitzt eine Produktionsstätte mit fast 2’000 Mitarbeitenden in Sankt Petersburg. Ausserdem sind etwa 500 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Ukraine bei Novartis beschäftigt. Aus ethischen Gründen – die Patienten benötigen ihre Medikamente überall auf der Welt – be-treffen die Sanktionen des Westens die Pharmaindustrie nicht. Auf diese Branche entfallen immerhin 52 Prozent der Schweizer Exporte nach Russland. Wie Novartis senden die grössten Hersteller der Welt wie Roche und Sanofi weiter ihre Produkte nach Moskau. 

  • Gründung: 1942
  • Hauptsitz: BUSSNANG (TG)
  • Umsatz: CHF 3.6 BN
  • Beschäftigte: 13,000
  • Stock Exchange:

Der Thurgauer Eisenbahnhersteller hat begonnen, einen Teil der Produktion von seiner weissrussischen Fabrik nach Polen und in die Schweiz zu verlagern. 

Als der Zughersteller Stadler Rail am Dienstag, dem 15. März, seine Jahresergebnisse vorstellte, hatte er seinen Investoren eine wahre Flut an guten Nachrichten zu verkünden: volle Auftragsbücher (17,9 Mrd. Franken, das sind 11 Prozent mehr als im Vorjahr), erfreulicher Umsatz (3,6 Mrd. Franken, ein Plus von 18 Prozent) und ein solider Gewinn (224 Mio. Franken, ein Anstieg von 6,2 Prozent). Diese attraktiven Ergebnisse wurden jedoch von den aktuellen Ereignissen überschattet, insbesondere von der Kritik an der Präsenz von Stadler Rail in Belarus, einem Land, das mit Moskau verbündet ist und internationalen Sanktionen unterliegt.

Der Thurgauer Hersteller hat in Fanipol, etwa 30 Kilometer von der Hauptstadt Minsk entfernt, ein Werk mit mehr als 1’000 Beschäftigten. Der Standort, der vor rund zehn Jahren in einem Klima der «politischen Annäherung», so das Unter-nehmen, eröffnet wurde, stellt Züge und Strassenbahnen, insbesondere für die Länder der ehemaligen Sowjetunion, her. Er trägt knapp 10 Prozent zur gesamten Produktionskapazität des Unternehmens bei. Trotz des internationalen Drucks «wird Stadler seine Beschäftigten nicht im Stich lassen und daher sein Werk behalten», betont das Unter-nehmen in seinem Jahresbericht. 

Dennoch zwingt die aktuelle Situation den Konzern zur Anpassung, insbesondere weil die internationalen Sanktionen es Stadler verbieten, elektronische Bauteile in seine Fabrik zu schicken. Der Hersteller hat einen Sozialplan für sein belarussisches Werk aufgestellt, und ein Teil der Produktion wird in das polnische Werk in Siedlce und in die Schweiz verlagert. 

Kommt es dadurch zu Verzögerungen bei den anstehenden Lieferungen? «Weniger als 2 Prozent von Stadler Rails Auftragsbestand in Höhe von insgesamt 17,9 Mrd. Franken werden lokal hergestellt, und dieser Anteil kann noch weiter reduziert werden, um sicherzustellen, dass die Produktion über eine Verlagerung rechtzeitig erfolgt», beruhigt der Konzern in seinem Jahresbericht. 

Das Geschäft des Unternehmens,  das keine Bestellungen aus Russland und der Ukraine in seinem Auftrags-buch hat, könnte jedoch von der kriegsbedingten Verteuerung der Rohstoffe und Inflation beeinträchtigt werden. Alles in allem «können die finanziellen Auswirkungen noch nicht vollständig abgeschätzt werden», heisst es abschliessend  im Jahresbericht. Denn diese hingen stark von der weiteren Entwicklung des Krieges ab.

  • Gründung: 1983
  • Hauptsitz: BIEL/BIENNE (BE)
  • Umsatz: CHF 7.313 BN
  • Beschäftigte: 36,000
  • Stock Exchange:

Der Luxussektor musste sich von Russland distanzieren. Das betrifft einen Markt, der 1 bis 2 Prozent des Umsatzes dieser Branche ausmacht. 

Der Uhrenhersteller aus Biel hat all seine Exporte nach Russland aus-gesetzt. Die eher diskret agierende Gruppe, zu der insgesamt 17 Marken gehören, darunter Blancpain und Breguet, macht keine Angaben zu den Auswirkungen dieser Massnahme.  Die UBS geht aber davon aus, dass etwa 2 bis 3 Prozent des Swatch- Absatzes auf Russland entfallen. Das Uhrenunternehmen ist in diesem Fall nicht allein: Seit Beginn des russischen Feldzugs gegen die Ukraine haben die meisten Luxusmarken das Land der Zaren verlassen, so zum Beispiel die Genfer Gruppe Richemont oder die französischen Unternehmen LVMH, Kering und Hermès. Auch wenn Russland als das Land für Luxus schlechthin erscheinen mag, macht es laut Experten in Wirklichkeit nur einen geringen Anteil des Um UHR satzes in diesem Segment aus: Mit einem Anteil von nur 1 bis 2 Prozent liegt Russland weit hinter China, dem wichtigsten Treiber in dieser Industrie.

  • Gründung: 1872
  • Hauptsitz: ZURICH (ZH)
  • Umsatz: CHF 70.7 BN
  • Beschäftigte: 56,000
  • Stock Exchange:

Auch wenn der Versicherer auf dem russischen Markt kaum vertreten ist, dürfte er die Auswirkungen des Krieges zu spüren bekommen.

Am 27. März hat das Versicherungs-unternehmen Zurich Insurance angekündigt, sein Logo – ein weisses «Z» auf blauem Hintergrund – vorübergehend aus den sozialen Netz-werken zu entfernen, um nicht in Verdacht zu geraten, Moskaus Krieg gegen die Ukraine zu unterstützen. Der Buchstabe «Z» ist in Russland zum Symbol für die Unterstützung des Krieges geworden. Der Schweizer Versicherer hatte vier Wochen zuvor bereits die «Aggressionen der russischen Regierung gegen die Ukraine» ausdrücklich verurteilt.

Zurich Insurance ist auf dem russischen Markt kaum exponiert. 2014 hatte das Unternehmen einen Teil seiner Geschäftstätigkeiten für Privatkunden in Russland an die OLMA Group verkauft und sich 2021 vom Gaspipeline-Projekt Nord Stream 2 zurückgezogen. Der Versicherer, der weiterhin Geschäftskunden in Russ-land hat, betonte in einer Medienmitteilung vom 28. Februar, man werde rasch handeln, um die Einhaltung aller Sanktionen zu gewährleisten, «ungeachtet der operativen Beeinträchtigungen und finanziellen Auswirkungen». Während Zurich Insu-rance keine genauen Zahlen nennt, haben die Versicherungskonzerne Axa und SwissLife mitgeteilt, dass ihre Aktivitäten auf dem russischen Markt mit 200 Mio. Euro bzw. 60 Mio. Franken minimal seien. Dennoch könnten die meisten Versicherer die indirekten Konsequenzen des Konflikts zu spüren bekommen, ins-besondere aufgrund ihrer Kunden aus den Bereichen Luftfahrt oder Marine, die von den internationalen Sanktionen betroffen sind. Der Versicherer Lloyd’s of London zum Beispiel, dessen Umsatz nur zu 1 Prozent direkt von der Ukraine und Russland abhängt, geht davon aus, dass der Krieg «bedeutende» Konsequenzen für die Versicherungsindustrie haben wird. Es sei aber zu diesem frühen Zeitpunkt schwierig, bereits die voll-ständigen finanziellen Auswirkungen zu beziffern.