Small Caps

Mit kleinen Firmen gross Verdienen

Nebenwerte haben ihre ganz eigenen Charakteristika.
Sieben Tipps, wie man davon profitieren kann.

Bertrand Beauté

«In einen grossen Konzern zu investieren ist, wie eine Limousine zu nutzen. Sie fahren ruhig und komfortabel, aber Sie spüren kaum etwas», sagt François Mollat du Jourdin, Gründer und CEO des Multi-Family Office MJ&Cie. «Bei einem Small Cap dagegen sitzen Sie am Steuer eines Karts. Sie wissen, dass es holprig werden kann. Auf dieses Risiko muss man sich einlassen.» Denn auch wenn sich Small Caps langfristig in der Regel besser entwickeln als Large Caps, kann der Weg dahin steinig sein. Deswegen hier ein paar Tipps, damit Sie nicht ins Schleudern geraten.

1. LANGFRISTIG INVESTIEREN

Seit Anfang 2022 hat der MSCI Europe Small Cap Index mehr als 15 Prozent an Wert verloren (Stand: 31. Mai), der MSCI Large Cap Index dagegen nur 5 Prozent. «Nebenwerte bilden die Marktschwankungen meist deutlicher ab als grosse Titel», erklärt Raphaël Moreau, Fondsmanager bei Amiral Gestion. «In Wachstumsperioden und bei guter Stimmung übertreffen Sie den Gesamtmarkt, aber in Krisen und Zeiten grosser Unsicherheit korrigieren sie stärker als Aktien von Grosskonzernen.» Dieser Ansicht ist auch François Mollat du Jourdin: «Krisen treffen zuerst die kleinen Unternehmen», so der MJ&Cie-Gründer. «Aber sie sind auch die Ersten, die sich erholen, wenn die Wirtschaft wieder anzieht. Daher ist es oft sinnvoll, in die Flaute vor dem nächsten Konjunkturaufschwung in Nebenwerte zu investieren.» Ist also angesichts des Kursverfalls seit Jahresbeginn jetzt ein guter Moment, um in Small Caps zu investieren? «Die Aussichten sind derzeit durch den Krieg in der Ukraine, die Inflation und die strengere Geldpolitik sehr ungewiss. Kurzfristig bleibe ich deswegen weiterhin mehr als vorsichtig», antwortet François Mollat du Jourdin. «Bei mittel- oder langfristigen Anlagen dagegen zögere ich nicht.»

2. UNTERNEHMENSLEITUNG GENAU PRÜFEN

«Bevor wir in ein Small Cap investieren, treffen wir uns immer mit dem Management», erzählt Bart Geukens, Fondsmanager für europäische Small Caps bei der Vermögensverwaltung DPAM. «Wirkt die Geschäftsführung auf uns zu schwach, investieren wir nicht. Wir suchen innovative und wachstumsstarke, aber vor allem gut geführte Unternehmen.» Denn in der Welt der Small Caps ist die Qualität der Geschäftsführung von essenzieller Bedeutung. Im Gegensatz zu Grosskonzernen sind bei kleineren Unternehmen meist die Gründer auch die Geschäftsführer. Ihre strategische Ausrichtung ist daher langfristiger, und das Management nimmt viel direkter Einfluss, bei grossen Konzernen ist das viel abgeschwächter der Fall. Das hat Vor- und Nachteile: Eine falsche Strategieentscheidung hat oft viel schwerwiegendere Konsequenzen als in einem grossen Unternehmen. Deswegen muss man die Qualität des Managements gründlich analysieren, bevor man investiert. «Die Firmenleitung ist in Small Caps oft viel zugänglicher als in grossen Unternehmen», meint François Mollat du Jourdin. «Aktionäre können in einen konstruktiven und produktiven Dialog mit der Geschäftsleitung treten.»

3. DIE INEFFIZIENZ DER MÄRKTE AUSNUTZEN

Finanzanalysten bevorzugen grosse Titel. Über europäische Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von mehr als zehn Mrd. Dollar wachen in der Regel mehr als 20 Analysten. Kleinere Unternehmen, deren Bewertung lediglich im zweistelligen Millionenbereich liegt, hat dagegen oft gar kein Experte im Blick. In Frankreich werden beispielsweise 30 Prozent der kotierten Unternehmen nicht beobachtet. Woran liegt das? «Die meisten kleinen Werte werden zu wenig gehandelt, als dass sich eine Analyse für sie alleine rechnen würde», so die Antwort von Don Fitzgerald von DNCA Investments, der einen Fonds mit europäischen Mid Caps verwaltet.

Laut einer Studie von Furey Research Partners liegt die Anzahl der Analysten, die in den USA ein Large-Cap-Unternehmen beobachten, bei rund 20. Bei Mid Caps sinkt die Zahl der Experten auf rund 15 und bei Small Caps sind es nur noch fünf. Für Anleger kann die unterschiedliche Aufmerksamkeitsverteilung eine Chance darstellen. «Finanztheorien basieren auf der Effizienz der Finanzmärkte, also auf der Tatsache, dass der Kurs alle verfügbaren Informationen widerspiegelt»,erklärt Don Fitzgerald. «Wenn es aber keine Informationen gibt, kann es passieren, dass ein Aktienkurs nicht den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert eines Unternehmens abbildet. Diese Situation kann zu einer potenziellen Unter- oder Überbewertung eines Titels führen, die Anleger ausnutzen können. Small Caps bilden sozusagen eine Nische, in der Bewertungsdiskrepanzen schneller auffallen.»

4. AUF AKTIVE VERWALTUNG UMSTEIGEN

Die Welt der Nebenwerte ist sehr viel heterogener und vielfältiger als die der Large Caps. Der MSCI World Small Cap Index umfasst mehr als 4’500 Firmen, der MSCI World Large Cap dagegen nur 688. «Für die Anleger ist es ganz wichtig, sehr selektiv vorzugehen, und die Firmen, in die sie investieren möchten, gut auszuwählen», meint Raphaël Moreau, Fondsmanager bei Amiral Gestion. «Um eine möglichst hohe Performance zu erzielen, sollte man nur in die erfolgreichsten Unternehmen investieren und nicht in ganze Indizes», sagt auch Bart Geukens. «Nicht alle Unternehmen in den Indizes sind empfehlenswert, und grössere Unternehmen werden stärker gewichtet als kleinere. Wer bei Small Caps in einen Index investiert, investiert in die Gewinner von gestern.»

5. DORT INVESTIEREN, WO MAN SICH AUSKENNT

Nicht nur die Analysten befassen sich lieber mit grossen als mit kleinen Unternehmen, gleiches gilt auch für Wirtschaftsmedien. Wie soll man sich dann über Small Caps informieren? «Wenn Finanzanalysten nicht über sie berichten, geben die Unternehmen oft selbst kommerzielle Informationen heraus», so William Cuss von Barings. «Es gibt keine börsenkotierten Unternehmen, zu denen man keine Informationen findet. Im Notfall kann man immer noch auf die Jahresberichte zurückgreifen. Man muss natürlich länger suchen, um gute Informationen zu finden.» Guillaume Chieusse, Leiter des Bereichs Aktienmanagement Small Cap bei Oddo BHF AM, erinnert sich: «Als wir vor ein paar Jahren in ein schwedisches Small-Cap-Unternehmen investieren wollten, mussten wir alle Jahresabschlüsse der Firma vorher selbst übersetzen, weil es nirgendwo Informationen auf Englisch gab!»

Das ist zwar mühsam, aber dafür beschränken sich Small Caps meist auf gezielte Tätigkeitsfelder. «Für mich sind kleine Unternehmen einfacher zu verstehen als grosse, da sie in der Regel nur eine Handvoll Produkte für wenige Märkte entwickeln», sagt Raphaël Moreau. «Anleger können sich also genau informieren, worin sie investieren. Bei multinationalen Konzernen, die Hunderte Produkte überall auf der Welt vermarkten, ist das viel komplexer. Privatanlegern empfehle ich, sich auf eine Branche zu konzentrieren, die sie gut kennen, zum Beispiel, weil sie selbst dort tätig sind. So können sie Unternehmen finden, die dem Radar der Experten entgehen.»

6. RISIKEN IN KAUF NEHMEN

«Kleinere Unternehmen haben in der Regel ein anfälligeres Geschäftsmodell als grosse, die bereits auf dem Markt etabliert sind. Sie sind nicht so diversifiziert und hängen einerseits stärker von der Qualität ihrer Geschäftsführung und andererseits oft von einem einzigen Produkt oder einer einzigen Region ab», so Bart Geukens von der Vermögensverwaltung DPAM, der den Small Caps Europe Fund verwaltet. «Fakt ist, dass das Risiko, Geld zu verlieren, höher ist, wenn man in Small Caps statt in Large Caps investiert. Aber das Gewinnpotenzial ist eben auch grösser.»

7. LIQUIDITÄT BEOBACHTEN

«Die beiden grössten Risiken bei der Investition in Small Caps sind Volatilität und Liquiditätsmangel», erklärt William Cuss, Manager für Small- und Mid-Cap-EquityStrategie bei Barings. In der Tat gibt es manchmal nur wenige Verkäufer und wenige Käufer für Nebenwerte, sodass es mangels Angebot bzw. entsprechender Nachfrage schlicht nicht möglich ist, eine Aktie zum gewünschten Zeitpunkt zu kaufen oder zu verkaufen. Das führt dazu, dass ein Akteur, der aus dem Markt aussteigen will, dies nicht immer sofort tun kann, zumindest nicht, ohne seine Positionen zum Schleuderpreis zu verkaufen. Der Liquiditätsmangel verstärkt so die Schwankungen auf den Märkten. Auch wenn Nebenwerte insgesamt gesehen nicht volatiler sind als grosse Titel, kann ihr Börsenkurs einzeln betrachtet aufgrund der fehlenden Liquidität kurzfristig stark schwanken. Die Experten empfehlen daher, sich die Liquidität anzuschauen, bevor man in Nebenwerte investiert, also die Handelsvolumina auf den Märkten zu beobachten und sich von Titeln fernzuhalten, die pro Tag nur wenige Transaktionen erreichen.